Eine virtuelle Podiumsdiskussion des Businessclub Club Tirol über den digitalen Wandel, seine Auswirkungen und über lauernde Gefahren. Eine kurze Zusammenfassung.
Ein Amtsweg, bei dem alle Daten nur einmal erfasst werden. Kleine Firmen, deren E-Commerce-Geschäft Online-Riesen wie Amazon Paroli bieten. Mitarbeiter im Homeoffice, die richtig geschult Daten sicher an Kunden übermitteln. Der Immobilienkauf, der ohne ein Stück Papier rein digital über die Bühne geht. Eisenbahnweichen, die anhand von 40 Sensoren laufend ihren Zustand übermitteln.
Das alles sind Beispiele, die eines aufzeigen - der digitale Wandel ist im vollen Gange. Die Chancen, die diese digitale Transformation dem Wirtschaftsstandort Österreich ebenso wie jedem einzelnen Bürger bringen, sind groß. Aber es lauern dabei auch Risiken und Gefahren, die es zu beachten gilt. Viel Stoff in jedem Fall für den jüngsten virtuellen Diskussionsabend des Businessclub Club Tirol.
"Die Digitalisierung betrifft uns alle, als Unternehmer ebenso wie im ganz persönlichen Bereich, und die Corona-Pandemie hat das alles noch beschleunigt", sagte Club Tirol Präsident Julian Hadschieff einleitend. Der Wunsch, die Sehnsucht nach "analogen Begegnungen" sei aber weiter vorhanden. So hätte eigentlich diese Veranstaltung nicht virtuell, sondern als Podiumsdiskussion direkt in den Räumen der Industriellenvereinigung am Wiener Schwarzenberg-platz stattfinden sollen. Aber Corona …
Österreich auf dem Weg
Alexander Raffeiner, der Moderator des virtuellen Abends, wollte "hinter die tolle Verpackung" des schönen Schlagwortes der "Digitalisierung 4.0" blicken. Und konnte so seinen Hauptdiskutanten Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Rechtsanwalt und Start-up Gründer Thomas Seeber sowie Stefan Tödling, Experte für Cybercrime und Industriespionage, immer wieder geschickt "Hölzchen" zuwerfen. Unterstützt vom regen Interesse aller Meeting-Teilnehmer, die via Chat-Funktion viele Fragen und Ideen einbrachten.
Zu Beginn meldete sich per eingespielter Videobotschaft die in Sachen Digitalisierung wohl "höchste Autorität" im Lande, Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck: "Nur wenn wir die Digitalisierung in unterschiedlichen Bereichen, in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung, breit anlegen, wird Österreich weiter in der Top-Liga mitspielen können." Es brauche dafür einen "Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik", um die besten Rah-menbedingungen dafür zu schaffen. Jeder und jede in der Gesellschaft müsse auf die Reise mitgenommen werden. Vor allem Klein- und Mittelbetrieben muss mit unterschiedlichen Maßnahmen geholfen werden, so wie es der "Aktionsplan für die Digitalisierung Österreichs" vorsehe. Zum Beispiel mit intensiver Beratung zum E-Commerce.
In der öffentlichen Verwaltung - "ich bin stolz darauf, dass Österreich im Ländervergleich nunmehr Platz 3 hinter Estland und Malta einnimmt" - werden etwa noch viele Schritte folgen, um das "one-stop-only-Prinzip" voll umsetzen zu können. So soll etwa die digitale Ausweisplattform im nächsten Jahr kommen. Damit "eine Wahlkarte beim Zähne-putzen beantragt werden kann."
Ausbildung forcieren, digitale Exportnation werden
IV-Generalsekretär Neumayer sieht bei den Chancen der Digitalisierung in Wirtschaft, Industrie und Produktion bereits "vieles auf dem Weg". Sei es bei der Prozess-Automatisierung, bei selbstlernenden Maschinen bis hin zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz. So könne etwa auf Kundenwünsche in Echtzeit eingegangen werden.
Die Exportnation Österreich sollte jedoch zum Standort eines digitalen Exporteurs werden, also mit Unternehmen, die neue Technologien entwickeln und anbieten können. Dazu müsse in Österreich, in Europa, eine technologische Souveränität aufgebaut werden. Das heißt, Schlüsseltechnologien miteinander entwickeln, digitale Kompetenz in Europa aufbauen. Bestrebungen dazu gebe es in Österreich wie auch in der EU.
Eines wird dafür ganz wichtig sein: die Ausbildung bzw. Umbildung. Ganze Berufsbilder fallen langsam weg, Betroffene müssen umlernen. Andererseits sind junge Fachkräfte gefragt. So hat etwa die IV das Ziel, bis 2025 die Zahl an MINT-AbsolventInnen hierzulande um 20 Prozent zu steigern. Gut wäre auch, die geplante neue Technische Universität in Linz zu einer "Digitalisierungs-Uni" zu machen. "Wir brauchen Menschen, die die Dinge verstehen, nicht nur technologisch, sondern auch gesamthaft."
Innovationen und rechtliche Aspekte
"Jeder muss sich überlegen, was ich tun muss, damit es mich auch in zehn Jahren noch gibt", meint Anwalt Seeber. So stellte man sich in seiner Kanzlei die Frage, ob es heutzutage noch notwendig ist, den Kauf einer Immobilie mit "so viel Papier abzuwickeln". Aus dieser Überlegung heraus wurde kurz gesagt ein eigenes Start-up gegründet (Rea-lest8), das nunmehr - beschleunigt durch Corona - den Kauf einer Liegenschaft zentral "vom Angebot bis hin zur Eintragung ins Grundbuch, inklusive digitaler Unterschrift des Kaufvertrages beim Notar" ohne ein Blatt Papier erledigen kann.
Bei aller Digitalisierung heißt es, so Seeber, auch rechtliche Aspekte, verbunden mit Fragen der Sicherheit, zu berücksichtigen. Stichwort Homeoffice und Mitarbeiter. Gerade jetzt in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass sich Fragen in unterschiedlichsten Rechtsbereichen auftun, Beispiel: Immobilienrecht/Arbeitsrecht und Einrichtung des Home Office. Klare Regeln zu diesen Themen und eindeutige Leitfäden sowie Vorgaben in Zusammenhang mit Datenschutz braucht es jedenfalls. "Das sind alles Sachen, die in Unternehmen in der Vorstandsetage behandelt werden müssen."
Bedrohung durch Cyberkriminelle
"Das gehört nicht allein der IT-Abteilung aufgebürdet, um das Thema Sicherheit müssen sich die Chefs kümmern", sagt auch Cybercrime-Experte Tödling. Die Kenntnis über die Risiken, die mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehen, sei bei vielen Menschen gleich wie in Unternehmen immer noch gering. "Wir alle nutzen die vielen neuen Services, der Preis dafür ist aber das Risiko von Angriffen, die eine ernstzunehmende Bedrohung darstellen." Viele Unternehmen schätzen, so Tödling, auf der einen Seite nicht nur ihr digitales Potenzial falsch ein, sondern unterschätzen andererseits das Risiko von Angriffen.
Das habe auch "mit falschen Bildern im Kopf" zu tun: Es ist zumeist nicht der "böse Spion aus fernem Lande", der es auf Betriebsgeheimnisse abgesehen hat. Es sind vielmehr einfache Cyberkriminelle, die es etwa mit eingeschmuggelter Schadsoftware schaffen, ganze IT-Systeme lahmzulegen. Um dann erpresserisch viel Geld zu erbeuten. Jede Branche, Firmen jeder Größe können davon betroffen sein.
Natürlich gebe es noch viele weitere Typen von Angreifern (politische Akteure etwa), die unterschiedliche Ziele verfolgen. Der überwiegende Teil aller Angriffe ziele jedoch nicht nur darauf ab, vertrauliche Daten zu erbeuten oder die Integrität einer Firma zu schädigen, sondern die IT-Verfügbarkeit zu beeinträchtigen. Das heißt, für eine erfolgreiche Digitalisierung muss sich jeder nicht nur überlegen, welche seiner Unternehmensbereiche dafür sinnvoll in Frage kommen, sondern zugleich auch den Schutz dieser Bereiche mitbedenken.
Vertrauen in Mitarbeiter setzen
In der Diskussion wurden noch eine Reihe weiterer Aspekte der Digitalisierung angesprochen. Etwa die Rolle des Staates beim Schutz vor Cyber-Kriminalität (@Neumayer "In Sachen Kompetenz auf gutem Weg"), wie Kindern schon im Kindergarten und der Schule die Begeisterung für und der richtige Umgang mit digitalen Technologien näher gebracht werden kann oder neue Formen des "Leadership" in Unternehmen. "Viele Chefs haben bisher gedacht, Homeoffice geht in meinem Unternehmen gar nicht", so Club-Präsident Hadschieff. Nun während der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass "Chefs lernen müssen, ihren Mitarbeitern, den Teams, mehr zu vertrauen." Denn eines scheint gewiss: Einen Weg zurück aus der Digitalisierung wird es wohl nicht geben.
Präsentation von Stefan Tödling, Experte für Cybercrime und Wirtschaftsspionage: HIER
Präsentation von Thomas Seeber, Gründer und CEO des Legal Tech Start up Realest8: HIER